Titel:

Lina die Entdeckerin

Jahr:

2020

Altersgruppe:

Verlag:

Achse Verlag

Lina ist eine neugierige Forscherin, die Dinge ganz genau wissen möchte. Die Geschichte dieses Aufklärungs-Bilderbuchs in Reimen begleitet sie dabei auf einer Forschungsreise, auf der sie ihren eigenen Körper entdeckt und dabei gleichzeitig auch viel über Körper allgemein erfährt. Denn Körper(teile) haben ganz
unterschiedliche Formen, Hauttöne oder Behaarungen, was im Buch detailliert und vielfältig illustriert wird. Der Fokus von Linas Erkundungen liegt auf ihrer Vulva – Lina weiß, dass ihr Geschlechtsorgan so heißt und nicht etwa “dort unten”, was sie
auch ihrem Vater erst beibringen muss, der sich im Gegensatz zu Lina noch schwertut mit der korrekten und wertfreien Benennung von allen menschlichen Körperteilen. Zusammen mit Lina lernen Kinder zudem weitere Namen für das Geschlechtsorgan und bekommen Informationen zum Thema Intimhygiene, Schwangerschaft, der Schönheit von Berührungen, Menstruation und zur Anatomie der Vulva. Dabei verlässt Linas Reise in die eigene Vulva im zweiten Teil des Buches den Boden der Tatsachen und driftet teilweise stark ins Fantastische ab. So surft sie etwa über gigantische BlutFlutwellen auf einer Binde durch die Vagina, was bei Kindern ohne Menstruation bzw. mit bevorstehender erster Menstruation vielleicht falsche Vorstellungen oder sogar Furcht auslösen könnte. Lina hingegen bleibt die gesamte Geschichte über mutig, unerschrocken und neugierig, was auch lustige Momente hervorbringt, etwa als sie von ihrer Schwester erwischt wird, wie sie sich mit deren Menstruationsprodukten verkleidet. Die Gelegenheit nutzt die ältere Schwester dann gleich, um Lina zu erklären was es mit all den verschiedenen Produkten auf sich hat.

Eine große Stärke des Buches ist, dass die Geschichte wertfrei und ohne Scham, Umschreibungen oder Aussparungen alle körperlichen Details und anatomischen Abläufe rund um die Vulva in kindgerechter, präziser Sprache und in klaren, großformatigen farbenfrohen Illustrationen thematisiert. Die Hauptfigur Lina nähert sich neugierig und unvoreingenommen allen Aspekten der Vulva und ihrer Funktionen. Dies ermöglicht jungen Leser*innen einen entspannten Umgang und eine tabubefreite Sprache für ihren Körper zu finden und unterstützt sie darin, ein positives Körpergefühl zu entwickeln. Lina sowie der Großteil ihrer Familie sind zudem Personen of Color, deren diskriminierungssensible Repräsentation insbesondere in deutschsprachigen Aufklärungsbüchern immer noch selten ist. Ein wichtiger Aspekt beim Thema Berührungen fehlt leider: der Hinweis auf Einvernehmlichkeit bzw. Grenzen ziehen. Auch Fragen rund um Geschlechtervielfalt, zum Beispiel wer eine Vulva hat oder haben kann, werden nicht explizit thematisiert. Obwohl die Autor*innen in ihrer Einleitung betonen, einen Fokus auf Diversität zu legen, sind alle Hauptfiguren cis Frauen. Somit vermittelt das Buch trotz der Ankündigung im Vorwort nebenbei die gesellschaftlich vorherrschende Vorstellung, nur Mädchen oder Frauen könnten eine Vulva haben. Auch vielfältige, intergeschlechtliche Geschlechtsteile bzw. Vulven jenseits der Endo-Norm werden im Buch weder erwähnt noch dargestellt. (Kinderwelten)

Preis: 22 Euro