Chiara, Selma und Drago besuchen dieselbe Schulklasse. Das Buch wird aus Chiaras Sicht erzählt, deren Nonno, ihr Großvater, vor einem Jahr gestorben ist, was sie immer noch nicht so richtig fassen kann. Manchmal besucht sie sein Grab und legt Kastanien darauf, weil diese sie an den Großvater erinnern. Besonders schmerzhaft ist für Chiara, dass sie ihm manchmal nicht so genau zugehört hat, wenn er von seiner Kindheit, also von „früher“ erzählt hat. Dafür schämt sie sich heute.

Die Schüler*innen von Chiaras Klasse bekommen eine Gemeinschaftsaufgabe. Sie sollen eine Abenteuergeschichte schreiben. Da Chiara, Selma und Drago viel Zeit miteinander verbringen, sie essen regelmäßig bei Chiaras Nonna (Großmutter) leckere Gnocchi zum Mittagessen, arbeiten sie zusammen. Chiara erinnert sich an eine Geschichte, die ihr Nonno einmal erzählt hatte. Es ging darin um Kinderräuber während des zweiten Weltkriegs. manches weiß sie noch und so soll die Geschichte „Mino und die Kinderräuber“ heißen. Selma hätte gerne eine Fee dazu und Drago wünscht sich Bum-Bum und Krieg. Alle drei Elemente bauen sie in die Geschichte ein.

In der Abenteuergeschichte der drei Freund*innen ist Chiaras Nonno der Junge Mino. Er lebt mit seiner Mutter in einem Dorf in den Bergen in Italien. Es ist die Zeit des zweiten Weltkriegs und weil die deutschen, italienischen und amerikanischen Truppen den Bauernfamilien die Lebensmittel wegnehmen und es für die Kinder außerdem sehr gefährlich ist, geben viele ihre Kinder zu Menschen, die in den Bergen leben. Die drei Kinder, die in der Abenteuergeschichte von ihren Eltern zu Mino und dessen Mutter in Sicherheit gebracht wurden, sind Chiara, Selma und Drago selbst. So kann Chiara an der Seite ihres Großvaters erleben, wie hart dessen Leben als Kind war.

Mino geht nicht zur Schule, weil er arbeiten muss, damit seine Mutter und er wenigstens das Nötigste zu essen haben. Nicht in die Schule gehen zu müssen findet Drago toll, aber Mino würde gerne zur Schule gehen, denn obwohl er arbeitet, geht er abends hungrig und frierend zu Bett. Auch der Alltag ist mühsam. Das Wasser holt Mino aus dem Brunnen, die schweren Eimer schleppt er ohne Klagen. Chiara hingegen kann nicht mal einen Wassereimer tragen, ohne Wasser zu verschütten. So ein entbehrungsreiches Leben kennen die drei Kinder nicht. Ausreichend Essen gibt es nur, weil die Eltern der Freund*innen Minos Mutter Nahrungsmittel gegeben haben, unter anderem leckere Gnocchi.

Mino nimmt die drei Freund*innen nur mürrisch mit zu Masto Geppo, denn er glaubt nicht, dass sie die schwere Arbeit im Wald bewerkstelligen können. Doch es erweist sich als gute Entscheidung, weil die Kinder geraten in sehr gefährliche Situationen geraten, die sie nur gemeinsam meistern können. Der Arbeitgeber von Mino ist nämlich nicht nur unfreundlich, sondern auch gemein und geldgierig. Er verkauft Drago und Mino an den Kinderräuber Spatuzzo. Sie sollen in Neapel bei einem Zuckerbäcker Nougatcreme herstellen. In einer waghalsigen Aktion befreien Chiara und Selma die beiden jedoch aus den Fängen des Kinderräubers, dabei beweisen sie Mut und Durchhaltevermögen. Da die Geschichte im 2. Weltkrieg spielt geraten die Kinder auch unter Beschuss. Die Kriegshandlungen der deutschen, italienischen und amerikanischen Truppen und die Angst der Kinder werden dabei ausführlich beschrieben.

Die Kinder erleben Armut, Krieg, Gemeinheiten und Gefahren und meistern diese Herausforderungen, weil sie gut zusammenhalten und ihnen zum Schluss eine „Fee“ behilflich ist. Während Chiara, Selma und Drago jedoch wieder in die Schule gehen, kann Mino froh sein, dass er weiterhin bei Masto Geppo arbeiten darf und so für den Lebensunterhalt für sich und seine Mutter sorgen kann. Und dass sich Chiara und ihr Großvater in der Geschichte umarmen, ist ein wunderbarer Trost für sie.

Eingebettet ist die Abenteuergeschichte in Chiaras Erlebnisse mit ihren Freund*innen in der Schule und den Besuch von Chiaras Mutter als Schulzahnärztin. Verbindende Elemente zwischen der Abenteuergeschichte und dem wirklichen Leben der drei Kinder sind die Gnocchi von Chiaras Nonna (Großmutter) und die Nougatcreme, die Drago auch nach dem Abenteuer mit dem gefährlichen Zuckerbäcker immer noch liebt.

Positiv ist, dass der Großvater konsequent Nonno, die Großmutter Nonna genannt werden, die italienischen Bezeichnungen für Großvater und Großmutter. Auch kommen ab und zu Wörter oder kurze Sätze auf Italienisch vor, denn das Paar ist vermutlich aus Italien nach Deutschland eingewandert. Leider erfahren die Lesenden darüber fast nichts.

Auch sind die Kinder selbstwirksam. Das Buch wird aus ihrer Sicht erzählt und vor allem in der Abenteuergeschichte handeln sie eigenständig und sind stark. Allerdings hätte Selma noch mehr Platz bekommen können, sie bleibt etwas farblos.

Zu den familiären Hintergründen der Kinder ist anzumerken, dass Chiaras Eltern relativ privilegiert sind, ihre Mutter ist Zahnärztin, der Vater Fahrlehrer. Als Nachfahren der italienischen Einwanderer sind sie in gut situierten Berufen angekommen, oft im Gegensatz zu der Generation der Einwanderer selbst, die in Fabriken geschuftet haben. Dragos Mutter arbeitet in der Fabrik, über Selmas Eltern erfährt man leider nichts.

Zu kritisieren ist, dass Drago eine Räubergeschichte mit Krieg schreiben will und Selma Feen liebt. Das ist dem Autor leider etwas stereotyp geraten. Und die Aussage „Weiber haben sie schon genug in Neapel.“ ist wenig wertschätzend und für die Geschichte nicht nötig.

Im Begleittext im Anhang hebt der Generationenforscher Höpflinger die Bedeutung von Begegnungen zwischen Großeltern und Enkeln hervor, um Geschichte/n erlebbar zu machen. Das ist zwar ein wichtiger Aspekt, allerdings scheint dieser Ansatz etwas undifferenziert, weil er sehr stark auf „familiären” (im Sinne von “Blutsverwandtschaft”) intergenerationalen Begegnungen beruht. Was ist mit Kindern, die ohne Großeltern aufwachsen? Oder mit Kindern, die zwar nicht die leiblichen „Großeltern“, aber vielleicht trotzdem Austausch mit Menschen der Großelterngeneration haben? Ein Hinweis auf vielfältigere Familienzusammenhänge wäre gut gewesen. (Kinderwelten)

Preis: 19,80 €