Titel:

Wilhelms Reise – Eine Auswanderergeschichte

Autor*innen:

Jahr:

2012

Altersgruppe:

Verlag:

Gerstenberg

Das Buch beschreibt die Auswanderungsgeschichte des 15-jährigen Wilhelm, der 1857 als Kind armer Bauern im Spessart geboren wird. Armut und Hunger prägen sein Leben, bis er mit zwölf Jahren in einer Schnitzschule eine Ausbildung macht. Hier erlernt er die Bildhauerei und das Zeichnen, übt Lesen und Schreiben. Hier hört er auch erstmals von „Amerikawerbern“, die Siedler*innen und Arbeiter*innen für Amerika gewinnen möchten. In der Hoffnung auf ein besseres Leben beschließt er, seine Heimat zu verlassen. 1872 verabschiedet sich Wilhelm von seiner Familie, sein Werkstattleiter schenkt ihm zum Abschied ein Skizzenbuch. In Bremerhaven wird er einer von 400 Passagieren des Segelschiffes „Columbia“ und verlässt Europa.

In dem historischen Sachbilderbuch wird der Alltag an Bord des Segelschiffes in vielen Details geschildert: Wilhelm leidet wie so viele an der Seekrankheit, schmutzige Kleidung und Ungeziefer machen ihm das Leben schwer, das Essen ist eintönig. Doch Wilhelm beschwert sich nicht und zeichnet unermüdlich, dabei lernt er Matrosen und Reisende kennen und hält Geschichten anderer Auswanderer fest. Lebendig und anschaulich wird dies im Buch erzählt, das mit seinen vergilbten Farben überzeugend alt wirkt. Wilhelms Zeichnungen illustrieren das Geschehen an Bord.

Besonders aufschlussreich sind die Schilderungen der Kinderspiele, die Beschreibungen der Gefahren in Sturm und Unwetter oder des Lebens der Matrosen. So erhalten Kinder realistische Eindrücke davon, wie Menschen in einer anderen Zeit und unter anderen Bedingungen lebten. Die Alltagsrealität von „Wirtschaftsflüchtlingen” wird im Buch jenseits moralischer Verurteilung als Teil der Geschichte von Menschen in Deutschland erzählt. Kinder können sich so in die Lebenssituation dieser Menschen einfühlen und Empathie entwickeln. Das Buch bietet darüber hinaus die Möglichkeit, ausgehend von der historischen Vorlage, die Fluchtursachen, Ankommensbedingungen und Lebensrealitäten der heutigen Auswander*innen und Flüchtenden zu reflektieren.

Der Schwerpunkt liegt dabei auf den Ausreisegründen und der Überfahrt, während die Siedlungs- und Vernichtungspolitik in Nordamerika nur angerissen wird. So reproduziert die Formulierung „Siedlertrecks, die als Pioniere in unerschlossene Gebiete zogen“ den kolonialen Mythos vom „leeren Land“ und gibt einseitig die weiße Perspektive wieder. Positiv fällt hingegen auf, wie im Buch aufgezeigt wird, dass die im Jahr 1776 proklamierte „Gleichheit aller Menschen“ nicht zu gleichen Rechten für Schwarze, Angehörige der indigenen Bevölkerung und Frauen führte. (Kinderwelten)

Preis: 14,95€