Christa, ich habe Dich sofort schätzen gelernt, als ich Dich im Rahmen einer großen Paolo Freire Konferenz 2003 in Oldenburg kennen gelernt habe. Du hast mich so beeindruckt mit Deinem scharfsinnigen Blick: für die Hintergründe des Gesprochenen, das Nicht Gesagte. Das konntest Du oft sehr schnell, viel schneller als andere wahrnehmen und gekonnt in Worte fassen, sichtbar machen. Ich habe dich auch als streitbar wahrgenommen, als jemand, die sich mutig und mit Nachdruck einsetzt für ihre Positionen, engagiert und durchaus konfliktbereit. 

Gepaart mit deinem großen Herz für Menschen hast Du dabei oft das Verbindende gefunden, gerade auch in konflikthaften Situationen und in Konstellationen, in denen sich die Lebenswelten sehr voneinander unterschieden. Das wirkte manchmal magisch, wie Du solche Gespräche moderierend navigiertest. Du bist jedem Menschen so aufrecht und würdevoll entgegen getreten, unabhängig von Alter, Profession, Status und mit echtem Interesse an seiner*ihrer Lebensgeschichte und Respekt für seinen*ihren Werdegang. Das habe selber so erleben dürfen, als ich Dich als junge Absolventin kennen lernte, und ich habe es in vielen weiteren Situationen unserer gemeinsamen Zeit immer wieder erleben dürfen. 

Mit großer Neugierde gingst Du durch die Welt, stets interessiert an Gesprächen mit Tiefgang, an Menschen und ihren Biografien, an kulturellen Entwicklungen und ihrer Artikulation im Alltäglichen, Materiellen, seien es die Lebensweisen von Immigrant*en waren, die wir gemeinsam auf den Forschungsreisen nach USA u.a. erkundet haben oder die Spielweise eines einzelnen Kindes bei der Erkundung seiner Umgebung. Du warst mir von Beginn an ein Vorbild in der Art und Weise, über Kinder und ihre Aneignung der Welt nachzudenken. Deine Leidenschaft, Dein aufrichtiges Interesse an Kindern und an ihrem Blick auf die Welt war stets spürbar. Du hast ihre Perspektiven mit hohem Respekt für ihr kindliches Menschsein erkundet und sie stellvertretend, oft auch kritisch eingebracht, egal ob in wissenschaftlichen und bildungspolitischen Fachgesprächen oder beim Nachdenken über Projektideen und deren Umsetzung in pädagogische Praxis. 

Der Einsatz für das Wahrnehmen und Ernstnehmen von Verletzlichkeiten, Verwundbarkeiten im engsten Sinne waren Teil Deines beruflichen und privaten Engagements, sei es im unbedingten Respekt für Menschen ohne Obdach, im Erkunden von Lebenslagen von Familien mit Migrationshintergrund oder unfairen Unterschieden zwischen Mädchen und Jungen. Vielleicht initiiert durch deine eigenen Wunden, Dein geschärfter Blick für Ungleichheit zeichnete dich aus. Ich erinnere so viele gemeinsame Begegnungen mit den verschiedensten Partner*n aus Politik, Wissenschaft, KiTa-Trägerlandschaft, Fachkräften, Vertreter*n von Wohlfahrtsverbänden, innerhalb INA und ISTA: Du hast immer wieder darauf gedrungen, die Perspektiven und Lebensrealitäten derjenigen einzubinden, die strukturell weniger Möglichkeiten hatten, sich in diese Diskurse und Themensetzungen einzubringen. Die Reflexion gesellschaftlicher Machtverhältnisse war immer Thema. Auch bei Dir selber hast Du dabei nicht halt gemacht, hast Deine eigenen Sichtweisen immer wieder auf den Prüfstand gestellt und mit großem Respekt für Dein Gegenüber auch zugelassen, wenn Deine Positionen auf den Prüfstand gestellt wurden. Auch in unseren internationalen Arbeitsprozessen war diese reflexive, kritische Haltung spürbar. Dazu gehört viel Rückgrat, und genauso, als Mensch mit Rückgrat hast Du gewirkt. 

Der Kompass für Dein Handeln, so erscheint mir, war Dich mit Offenheit und Bereitschaft für Perspektivenwechsel auf die genaue Erkundung der Lebensrealitäten von Menschen einzulassen, mit allen Konsequenzen für das, was es in der Folge bedeutete. Vielleicht war es ein sich im wahrsten Sinn auf ein Leben mit viel Herz einlassen, auf das Mensch sein und das, was daraus für uns alle entsteht, in gelebter Gemeinschaft mit all dem Ringen um Autonomie und Verbundenheit. All diese Essenz spiegelte sich auch in deinen Entwicklungen zum Situationsansatz und seiner demokratischen Praxis, den Qualitätsentwicklungsverfahren und deren Fundierung in Bildungsprogrammen. 

Ich konnte so viel mit Dir lachen, egal wo, ob beim Abendessen im Berliner Kiez, bei Fachtagungen im Ausland, Wanderungen in der Wüste Arizonas oder in langen Arbeitstreffen. Bei all dem Tiefgang und dem kritischen Blick für gesellschaftliche Verhältnisse hattest Du eine wundervoll humorvolle Art, die uns miteinander verband und uns viele fröhliche Stunden bescherte. Wir hatten eine enge Herzensverbindung. Ich werde unsere Erfahrungen im Herzen halten, unsere vielen Begegnungen und Momente in den verschiedensten Kontexten und bin dankbar, Dich gekannt zu haben.