Es war im Jahr 2004, als ich bei ISTA meine Impulsbewerbung einreichte…eine Erzieherin mit Berufserfahrung und Weiterbildungshunger, gerade frisch aus dem Ausland in Berlin angelandet und bereit, im Institut für den Anfang auch nur Kopien zu ziehen und Kaffee zu kochen. Doch du hast mir mehr zugetraut, im Laufe der Zeit immer mehr. Nach ein paar Wochen der erste Werkvertrag, Mitarbeit in den Projekten, Koordinationstätigkeiten und schließlich sogar Multiplikator*innenkurse im Tandem. Deine Ermutigung und deine Klarheit haben mich dabei unterstützt, unentdeckte Talente ans Licht zu holen und weiterzuentwickeln. 

Die Implementierung des SBP war uns beiden eine Herzensangelegenheit und wir gingen mit Enthusiasmus an diese Aufgabe heran. Du knacktest die härtesten Nüsse im konservativen Bildungsministerium mit Charme, Argumenten und Beharrlichkeit, schließlich sollte Bildung in der gesamten Republik ein lustvoller Prozess sein! Und ich verfasste Protokolle in epischer Länge…

Morgens Pick-up und ein petit café bei Eva, dann fuhren wir los zum Kursort, die Seitenscheibe einen Spalt geöffnet, denn du warst der einzige Mensch, der in meinem Auto rauchen durfte. 

Nach den langen Kurstagen entspannten wir im „Fürst Ludwig“ bei gefüllten Pfannkuchen oder am Tabaksweiher bei einem Gläschen Crémant. Du liebtest das „Saarvoir vivre“, warst dem kleinen Bundesland immer verbunden; bereits 1978 las ich während meiner Fachschulausbildung in den Saarländischen Rahmenrichtlinien zum ersten Mal etwas über Situationen.

Seitdem hat mich der Situationsansatz ständig begleitet: Diesen nicht nur in der Pädagogik umzusetzen, sondern auch – nach deinem Vorbild – im Alltag zu leben, wurde mir zu einer sinnvollen Daueraufgabe.

Mein Nomadenleben spülte mich an den Nordtrauf der Schwäbischen Alb. Dort habe ich studiert: Kunstgeschichte, Fotografie und Ästhetisches Handeln. Ich begegnete Beuys und seinen visionären politischen und sozialen Ideen, tauchte in das Curriculum des Bauhauses ein und entdeckte unendlich viele Parallelen zum Situationsansatz. Bereits im Bauhaus fand interdisziplinärer Unterricht statt und schon Joseph Beuys hat in Kindern und Jugendlichen das wahre schöpferische Potenzial einer Gesellschaft gesehen. Gäbe es eine Zeitmaschine…bestimmt könnte man dich und den Mann mit dem Hut in angeregtem Austausch auf der Treppe der Düsseldorfer Kunstakademie sitzen sehen… 

Kunst spiegelt Lebensumfelder und -situationen, erweitert Wissen, begreift Diversitäten, strebt Partizipation an und findet bisweilen Vollendung in der Einheit von Inhalt und Form. Deine Begleitung über die Jahre hat es mir ermöglicht, dies alles wahrzunehmen und mich darauf einzulassen.

Ein Studium an einer Freien Akademie, die „Bildung für alle“ und lebenslanges Lernen ermöglicht…das ist ganz in deinem Sinne. Wie gerne hätte ich dich bei der Präsentation meiner Abschlussarbeit wiedergesehen und deine Meinung zu dem autobiografischen Kunstprojekt gehört, das sich mit einem generativen Thema befasst, nämlich mit der Übertragung von Traumata von den Großeltern, über die Eltern auf die Kinder…und somit von Kindheiten handelt, von dem Wunsch nach Respekt und Ermutigung, nach Stärkung der Persönlichkeit von klein auf, nach liebevoller Beziehung und nach Gerechtigkeit.

Ich sehe dich nicken und vermute, es hätte dir gefallen…

Danke für alles!