Titel:

Fachtagung 2023 | 12. Baustelle Inklusion „Partizipation auf dem Prüfstand – Diskriminierungskritische Perspektiven auf die Beteiligung von Kindern in Kita und Grundschule”

Jahr:

2023

Medientyp:

12. Baustelle Inklusion am 23.06.2023: „Partizipation auf dem Prüfstand – Diskriminierungskritische Perspektiven auf die Beteiligung von Kindern in Kita und Grundschule”

Zur Dokumentation der 12. Baustelle Inklusion

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Partizipation als Möglichkeit von Kindern, „in ihren Lebens- und Lernzusammenhängen Einfluss zu nehmen“, adressiert Kinder als Subjekte in demokratischen Aushandlungen. Die Möglichkeiten dürfen nicht abhängig sein von der „Gnade“ Erwachsener oder auf Übungseinheiten für eine spätere Mitbestimmung reduziert werden. Partizipation ist ein Kinderrecht: Jedes einzelne Kind hat das Recht, seine Meinung in allen es berührenden Angelegenheiten frei zu äußern. Und es hat den Anspruch darauf, dass seiner Meinung gebührendes Gewicht gegeben wird (Art. 12 der UN-KRK). Gleichzeitig ist das Recht auf Partizipation ein Grundprinzip bei der Umsetzung aller Kinderrechte.

Was bedeutet so verstandene Partizipation für Bildungseinrichtungen? Auf dieser 12. Baustelle Inklusion erkunden wir Potenziale und Möglichkeiten von Partizipation für die pädagogische Praxis, wie auch Begrenzungen, Fallstricke und Lücken.

Begrenzung: Diskriminierung. Wir richten einen diskriminierungskritischen Blick auf Partizipation, denn Diskriminierung ist mit dem Erleben von Ausschluss und Abwertung verbunden und behindert Zugehörigkeit und Beteiligung. Diskriminierung festigt außerdem bestehende Machtverhältnisse. Dennoch wird Diskriminierung in der Diskussion um Partizipation und in Partizipationskonzepten von Kitas und Schulen kaum berücksichtigt. Zu fragen ist: Welche Ausschlüsse gibt es beim Zugang zu Kitas und Schulen? Welche Ausdrucksformen finden in den Einrichtungen Beachtung und werden anerkannt, welche eher nicht? Was tun, wenn Ausschlüsse in Beteiligungsprozessen passieren, in denen bestimmte Kinder und Familien nicht erreicht werden? Welche Beteiligungsformen braucht es, um alle Kinder und ihre Bezugspersonen zu beteiligen? Wie kann Partizipation inklusiv sein?

Begrenzung: Adultismus. Ein adultismuskritischer Blick auf Partizipation kann Befürchtungen von Erwachsenen vor Veränderungen offenlegen: “Wenn’s um die Partizipation von Kindern geht, befürchten viele: REVOLUTION!” Er kann auch Unsicherheiten in der Spannung zwischen Beteiligungsgebot und Schutzauftrag zeigen, die sich insbesondere in Krisensituationen verschärfen. Zu fragen ist: Wo findet sich Adultismus in partizipationsabwehrenden Denk- und Redemustern? Wie können Erwachsene Adultismus aufdecken und dabei Handlungssicherheit gewinnen? Welche Rolle spielen Beteiligungserfahrungen als Teammitglied/ als Angestellte?  

Begrenzung: Fremdbestimmung in Bildungseinrichtungen. Zu den Begrenzungen gehört das hohe Maß an Fremdbestimmung in Bildungseinrichtungen, historisch angelegt in der „Auslagerung“ der Kindheit in besondere Einrichtungen. Damit sind Kinder effektiv getrennt von der Beteiligung am gesellschaftlichen Leben. Die Bildungseinrichtungen erfüllen wichtige gesellschaftliche und ökonomische Funktionen. Sie realisieren diese mit Normierungen im Hinblick auf kindliche Entwicklung wie auch durch zeitliche und räumliche Vorgaben. Partizipation ist innerhalb dieser Begrenzungen nicht wirklich vorgesehen und bleibt daher notwendigerweise begrenzt.

Sich all dieser Begrenzungen bewusst sein und diese in eine andere Praxis überführen, das empfiehlt uns Tanu Biswas. Sie tut es vor dem Hintergrund ihrer Vision von einem Verhältnis zwischen den Generationen, in dem Erwachsene und Kinder zusammen eine Gemeinschaft von Handelnden und Lernenden bilden.

Möglichkeiten und Potenziale: Entsprechend ist unser Anliegen, Möglichkeiten einer gelungenen Partizipation von Kindern und ihrer Familien darzustellen und zu diskutieren:

  • Auf der Ebene pädagogischer Praxis liefern die Ziele und Prinzipien der Vorurteilsbewussten Bildung und Erziehung© wichtige Ansatzpunkte für Partizipation. „Kinder in ihren Identitäten stärken“ (Ziel 1) umfasst die Anerkennung ihrer Bezugsgruppenzugehörigkeiten und Familienkulturen. Es vermittelt Kindern, hier zugehörig und wichtig zu sein und sich in Aushandlungsprozesse einzubringen, um diesen Ort gemeinsam mit anderen zu gestalten (Ziel 2). Letzteres ist insbesondere relevant, wenn es darum geht, Ungerechtigkeiten zu erkennen (Ziel 3) und etwas dagegen zu tun (Ziel 4).
  • Vor dem Hintergrund der Fremdbestimmung in Bildungseinrichtungen sind Partizipationsprojekte besonders bedeutsam, in denen Kinder Verfügung über Raumnutzung und zeitliche Abläufe gewinnen: Wenn die Essens- oder Ruhesituationen so gestaltet werden, dass mehr Selbstbestimmung möglich ist. Oder wenn Entwicklungsnormierungen über die Gleichsetzung von Können mit Alter oder Geschlecht oder Herkunft nicht mehr mitgetragen werden.
  • Diskriminierungserfahrene Familien können nicht sicher sein, dass ihre Kinder in den Bildungseinrichtungen Schutz vor Diskriminierung erfahren. Manche haben Kitas gegründet, um für ihre Kinder Empowerment-Räume zu schaffen. Als Betreiber*innen von Kitas beteiligen sie sich aktiv an der Kitaplatzversorgung und am System der Kinder- und Jugendhilfe. Welche Erfahrungen machen sie?

Auf der 12. Baustelle Inklusion am 23.06.2023 soll es nach 3 Jahren digitalem Arbeiten nun endlich wieder genügend Raum für persönlichen Austausch auf einer Präsenz-Tagung geben! Für einen starken Praxisbezug haben wir am Nachmittag Kitas und Horte eingeladen, uns von ihrer Arbeit zu erzählen. In Online-Workshops in der darauffolgenden Woche möchten wir konkrete Themen im Zusammenhang mit Partizipation vertiefen, wie z. B. Kinderschutz, Beschwerdeverfahren, digitale Spiele und viele mehr.