Der Tag, an dem ich von Christas Tod erfahren habe, war eigentlich ein besonderer Tag für mich. Ich sollte zum ersten Mal in meinem Leben an einer Hochschule unterrichten und war sehr aufgeregt. Auf dem Weg dorthin habe ich überlegt, welche Rolle meine Dozent:innen damals für mich gespielt haben, als ich noch studiert habe. Welche von ihnen ich positiv in Erinnerung behalten habe, welche mich nachhaltig beeinflusst haben und warum. Christa war eine ganz wichtige Dozentin für mich während meines Studiums an der FU Berlin! Sie hat mir die vorurteilsbewusste Bildung und Erziehung nähergebracht, das Grundverständnis des Situationsansatzes. Sie hat nie etwas ablesen müssen, denn das, was sie da transportiert hat, war ihre eigene Haltung, ihre eigene feste innere Überzeugung. Sie war uns Studierenden immer zugewandt, begegnete uns mit Neugier und Respekt, lebte uns diese Haltung genauso vor wie das respektvolle Äußern von kritischen Gedanken, immer die Ruhe bewahrend. Sie hat uns einen Lernraum eröffnet, uns auszutauschen, miteinander und mit ihr zu reflektieren und tiefer in Gedanken und Theorien einzutauchen, um so selbst zu einer Haltung zu kommen, die menschenfreundlich und fachlich geleitet ist. Das hatte ich mir für meinen Einstieg als Lehrbeauftragte auch vorgenommen: Lehrräume eröffnen, dabei stets neugierig und zugewandt sein, mit Respekt, Anerkennung und kritischem Denken. Und wenn´s irgendwie geht, auch nur mit halb so viel Ruhe wie Christa.

Und dann kam diese Nachricht. Und sie hat mich wirklich erschüttert. Und dass, obwohl ich Christa privat kaum kannte. Und ich bin sicher: Ihre Familie und ihre nahen Vertrauten hat diese Nachricht ganz sicherlich noch viel mehr bewegt und ich wünsche ihnen viel Kraft und Zusammenhalt in diesen Tagen.

Aber auch an mir ist sie nicht spurlos vorbeigegangen. Denn seit meinem Studium sind mehr als 15 Jahre vergangen und Christa ist mir in der Welt der Pädagog:innen seitdem immer wieder begegnet. Wir haben immer wieder zusammen diskutiert und Gedanken ausgetauscht. Ob sie mich noch aus dem Studium wiedererkannt hat, habe ich sie nie gefragt – es war auch egal, denn sie ist mir immer wieder so begegnet, als wäre da ein Vertrauen und Zutrauen, einfach so, zwischen Menschen.

Eine ganz persönliche Erinnerung habe ich noch: Christa war in meiner Diplomsprüfung Beisitzerin, es war eine mündliche Prüfung. Ich war sehr aufgeregt und froh, dass sie als mir vertraute Person dabei war. Von Geburt an begleitet mich ein Tremor, der immer da ist, aber in Situationen, in denen ich besonders konzentriert oder eben auch aufgeregt bin, stärker wird. Nach der Prüfung musste ich auf die Notengebung und das anschließende Auswertungsgespräch warten. Christa wartete ganz selbstverständlich Seite an Seite mit mir. Wir kamen über die Prüfung und meine Aufregung ins Gespräch, auch Christa hatte einen Tremor. Ich hatte ihr erzählt, dass meine liebe Oma mir am Tag vorher den Tipp gegeben hatte, einfach vor der Prüfung einen Schnaps zu trinken (sie wusste, dass Alkohol einen Tremor zumindest kurzfristig dämpfen kann) (Ich hatte nicht auf sie gehört.). Ich erzählte Christa davon und sie sagte: „Um Himmels Willen, bloß nicht! Es ist wie es ist! Der Tremor ist halt Dein Begleiter! “ Diese paar Sätze haben mir viel Mut gemacht im Leben. Wenn ich Christa bei Vorträgen gesehen habe, die sie gewohnt fachlich, mit Ruhe und immer den Menschen im Blick, gehalten hat, ist sie auch mit ihrem Tremor als Begleiter aufgetreten. Das fand ich beeindruckend und mutig, sie war für mich auch auf der Ebene ein Vorbild.

Jemand wie Christa ist gestorben und die Welt dreht sich einfach so weiter? Irgendwie ein befremdlicher Gedanke, kommt mir in den Sinn. Aber dann der nächste Gedanke: Diese Welt hat sie nachhaltig mit geprägt, sie dreht sich jetzt ohne sie weiter, ja, aber Christas Haltung, ihre Gedanken wirken weiter.

In Dankbarkeit, Sandra Drews